In letzter Zeit beschäftigt mich wieder die Frage, was Freiheit eigentlich bedeutet…Ist man frei, wenn man studiert, was man studieren möchte oder mit einer Freundin ins Kino geht, um sich einen Film seiner Wahl anzusehen? Ist man frei, wenn man spontan eine Reise bucht, um dem Alltag zu entfliehen? Oder ist man bereits frei, wenn man denken darf, was man möchte und seine Gedanken auch offen kundtun darf?
Ich denke es gibt viele verschiedene Arten von Freiheit und viele Situationen, in denen man spürt, ob man frei ist oder auch nicht. Zudem hat wohl jeder Mensch einen eigenen Zugang dazu und definiert diesen Begriff nach seinem Ermessen. Als Tochter einer Frau, die im arabischen Raum aufgewachsen ist und so auch in einer uns in Europa fremden Kultur, bin ich sehr dankbar, in einem Land zu leben, das mir jegliche Freiheiten gibt. Freiheiten, die für Europäer selbstverständlich sind, Freiheiten, die für viele andere Kulturen immer noch undenkbar sind.
Ich habe mir die Schule selbst ausgesucht, die ich später besuchte, ebenso das Studium, miete die Wohnung, die mir gefällt, habe den Anbieter meines Handyvertrages frei gewählt, kaufe die Kleidung meiner Wahl, sogar die Partnerwahl bleibt uns in unserer Kultur selbst überlassen. Man datet fremde Menschen, kommt ihnen näher, trennt sich wieder. Wege kreuzen sich und gehen auseinander, bis man den Menschen findet, der am besten zu uns passt. Und man muss mit keinen Konsequenzen rechnen, man wird weder von der Gesellschaft ausgeschlossen, noch von der Gesetzgebung gesteinigt. Auch gleichgeschlechtliche Liebe ist heutzutage kein Tabu mehr in unseren Breitengraden. Ich könnte noch unzählige Beispiele nennen, die veranschaulichen, wie frei man als junge Frau in Europa lebt.
Umso erschreckender ist der Fakt, dass man sich dennoch ständig irgendwelchen Zwängen unterworfen fühlt. Man fühlt sich eingesperrt, gefangen in einem kleinkarierten, vorgegebenen, beinahe vorgelebten System. Man fühlt sich wie eine Marionette, die an Fäden hängt und ihre Bewegungen nicht selbst steuern kann. Fäden, die vom System gestrickt werden und uns in unserer Motorik, in unserem Sein einschränken. Man fühlt sich wie eine kleine Holzpuppe ohne eigenen Willen. Eine Puppe, die vor Regeln und Zwängen beinahe erstickt und vergebens nach Luft ringt, um sich zu entfalten, eine Puppe, die strampelt und wild um sich schlägt, um aus dem System auszubrechen, um die Fäden abzureissen, um neue Routen zu entdecken, neue Fußabdrücke zu hinterlassen. Selbst während ich diese Zeilen schreibe, denke ich an die Rechtschreibung oder die Genderregeln und ich frage mich, ob ich mich daran halten soll oder einfach drauf los tippe, und schreibe wie und was ich möchte.
Aber ohne jegliche Regeln, ohne Grenzen, kann ein System dieser Größe nicht existieren… oder doch?
Und wie steht es mit der Liebe? Kann man trotz Liebe frei sein oder schließen sich Liebe und Freiheit automatisch aus? Ist Liebe das Gegenstück zu Freiheit, so wie die Nacht jenes vom Tag ist? Schränkt uns die Liebe in unseren Freiheiten ein oder ist es gerade die wahre Liebe, die uns das Gefühl gibt, richtig frei zu sein? Eifersucht beispielsweise ist keine Begleiterscheinung von Liebe sondern viel mehr jene von Unsicherheit und Kontrollzwang. Aber auch hier kommt wieder die Frage auf, ob wir bestimmte Grenzen einhalten müssen, damit das System der Liebe und Partnerschaft funktioniert?
Wichtig ist jedenfalls, dass sich zwei Menschen begegnen, die eine ähnliche Ansicht dazu haben, um langfristig glücklich sein zu können.
Ich persönlich empfinde die Liebe als Fenster zur Freiheit, zur Entfaltung, zur Jugend und zum wahren ICH. Und der richtige Partner löst uns von den Fäden und Zwängen und macht unseren hölzernen Körper lebendig!