Running girl

Der 4. Advent steht vor der Türe und Weihnachten rückt immer näher. Was bedeutet, dass sich wieder ein Jahr dem Ende neigt. Ich sage es immer wieder, es ist unglaublich wie schnell die Zeit vergeht! Manchmal hat man das Gefühl das Leben ist ein Zug, der an einem vorbeiziehtund man versucht ihn einzuholen und aufzuspringen aber man läuft vergebens leere Kilometer, bis der Zug letztendlich am Horizont verschwindet. Und dann steht man da, mitten in der Wüste, rundherum nur Leere und Steppe und das Leben ist weg. Es ist einfach an einem vorbeigezogen. Und man steht da, sieht sich um und fragt sich, wie das passieren konnte. Man ist alt, hat sein Leben gelebt, ohne dass es einem bewusst gewesen ist und die Zeit ist einem längst zum größten Feind geworden. Man wünscht sich wieder von vorne anfangen zu können und dann würde man bestimmt alles anders, alles besser machen, die Zeit mehr nutzen, die Sonnenuntergänge bewusster betrachten, die Natur länger bewundern, geliebten Menschen öfter zeigen, dass man sie liebt, öfter verreisen, häufiger lachen.

Aber so weit muss es nicht kommen. Denn wir haben das Glück selbst in der Hand. Aus diesem Grund ist es gar nicht schlecht den Jahreswechsel als Anlass dafür zu nehmen in sich zu kehren und das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen, zu überlegen, ob man die letzten Monate genossen hat, ob man glücklich war, erfolgreich, freundlich, hilfsbereit, aber auch, ob man sich genügend Zeit für sich selbst genommen hat. Denn dies ist nicht zu unterschätzen, viele Menschen vergessen häufig auf sich selbst, auf die eigenen Bedürfnisse und Wünsche.

Wir geißeln uns laufend mit dem Gedanken, dass wir uns Zeit für andere nehmen müssen, Zeit für Freunde, Verwandte, für die Arbeit und die vielen Projekte, die abgeschlossen werden müssen. Zeit für den Haushalt, Zeit für Verpflichtungen, aber nehmen wir uns ebenso Zeit für uns selbst? Unsere Kalender sind überfüllt mit Terminen, Deadlines, Remindern, Dingen, die erledigt werden müssen, Treffen, die nicht aufgeschoben werden dürfen. Aber auf uns selbst vergessen wir viel zu oft. Es ist daher ganz wichtig, dass wir uns abseits der vielen beruflichen und privaten Verpflichtungen immer wieder eine „Me-Time“ gönnen. Und diese Auszeit sollten wir genauso fett in unseren Kalendern markieren wie die Verpflichtungen des Alltags. Und diese Zeit ist dafür da, um sie nach seinen Wünschen völlig selbstbestimmt zu gestalten.

Jeder Mensch braucht ein Ventil, um wieder Kraft zu tanken und seine
Batterien aufzuladen. Für viele Menschen ist dieses Ventil der Sport. Daher dreht sich mein heutiger Blogpost um Sport, genauer gesagt um das Laufen. Niemand, der mich gut und lange kennt, würde Laufen je mit mir in Verbindung bringen, denn bisher konnte ich dieser Sportart beim besten Willen nichts abgewinnen. Ich kann eigentlich gar nicht genau sagen warum, aber ich konnte nie nachvollziehen, was die Menschen daran finden. Umso erstaunlicher ist es, dass sich meine festgefahrene Meinung nun von Grund auf geändert hat. Aber das Leben steckt – wie wir wissen – wahrlich voller Überraschungen…

Ich habe mit einigen Menschen darüber gesprochen, was am Laufen so einzigartig, so faszinierend ist und unterschiedliche Assoziationen erfahren, auch von Menschen, die mit Sport ansonsten nicht viel am Hut haben, doch wenn sie laufen, geht ihr Herz auf. So haben es mehrere Personen beschrieben und dabei haben ihre Augen gestrahlt und gefunkelt, beinahe so wie die eines Kindes unter dem Weihnachtsbaum, der von bunten Geschenken umringt ist. Und diese Faszination hat meine Neugierde geweckt. Also schließe ich meine Augen, um mich in die Personen hineinzuversetzen, damit ich fühle, was sie fühlen:
Ich laufe einen Feldweg entlang, weit weg vom düsteren, anthrazitfarbenen Asphalt der urbanen, schnelllebigen, menschenüberfüllten Stadt. Weit weg von Trubel, Hektik, Stress, fernab von Raum und Zeit. In der Ferne spiegelt sich die goldgelbe Sonne auf der Wasseroberfläche der Donau. Ihre Reflexion glitzert und schimmert so stark, dass ich beinahe vom grellen Licht geblendet werde. Der Sommer ist bereits in weiter Ferne und auch der Herbst verabschiedet sich also laufe ich dem Winter entgegen. Die bunten herbstverfärbten Blätter schwingen tänzelnd im Wind und gleiten nach und nach zu Boden, um die noch herbstliche Naturkulisse in einen romantischen, märchenhaften Winterwald zu verwandeln. Die Luft ist klar und rein und ich atme tief ein und aus. Der Winter ist nun angebrochen. Es ist eiskalt, womöglich einige Grad unter Null und der Frost hat sich bereits an den Bäumen und Gräsern festgefroren.

Doch ganz gleich welche Jahreszeit, ganz gleich welche Umgebung, wenn man läuft, wird man eins mit der Natur und verspürt ein unglaubliches Gefühl von Freiheit und Glück. Der Körper, der einst noch einer starren Hülle glich, wird mit Leben gefüllt, man fühlt den Puls, den Herzschlag, man hört seinen Atem, man spürt jeden Muskel, jede Faser seines Körpers. Und trotz Anstrengung schießt die Energie unaufhaltsam durch den ganzen Körper und man fühlt weder Müdigkeit noch Schmerz. Die Endorphine werden ausgeschüttet, man verfällt regelrecht in einen euphorischen Rauschzustand, weshalb man am liebsten ewig laufen würde.

Man läuft vielleicht für einen karikativen Zweck, oder einfach nur, um sich Gutes zu tun, seine Fitness zu steigern, sich zu fordern, oder auch um den Kopf frei zu bekommen, um wieder klare Gedanken zu sammeln, oder vielleicht, um für einen Augenblick den Sorgen des Alltags zu entfliehen. Und in diesem Moment steuert man ganz bewusst die Geschwindigkeit. Man hat endlich Einfluss auf die Zeit, die einem sonst stets entgleitet. In diesem Moment läuft man dem Zug des Lebens nicht bloß hinterher, man sitzt selbst am Steuer.

Und dann öffne ich die Augen. Und ich bin fasziniert. Und endlich, nach all den Jahren, verstehe ich die Faszination, die hinter dieser doch so simplen Sportart steckt. Und mein Wunsch nach diesem Zustand, diesem Glücksgefühl, wächst unaufhörlich. Also fasse ich einen Beschluss. Und fange an zu laufen…