Als ich vor einigen Tagen an diesem wunderschönen, hoffnungslos romantisch-kitschigen, beinahe surrealistischen Ort angekommen bin, wusste ich sofort, dies ist ein Ort der Inspiration und hier werde ich die Zeit und die Muße für meinen nächsten Blogpost finden. Und nun sitze ich hier in der Karibik, auf einem endlos scheinenden weißen feinsandigen Strand und blicke auf den weiten Ozean. Das Meer ist klar und rein und die unterschiedlichen Türkistöne verlaufen stimmig ineinander, wie in einem frisch gemalten Aquarellbild.Die goldgelben Sonnenstrahlen reflektieren an der Wasseroberfläche, glitzern und funkeln, und lassen das wunderschöne majestätische Meer wie eine mit Diamanten besetzte Decke erscheinen. Seit gut drei Stunden sitze ich bereits hier am Ufer und genieße die traumhafte Naturkulisse.
Heute haben wir wieder wolkenlosen Himmel und Sonnenschein – keine Selbstverständlichkeit in der Regenzeit. Die Kubafinken tapsen verspielt um mich herum, zwitschern und singen, im Hintergrund ertönt ganz dumpf die Salsamusik vom nächstgelegenen Hotel, die vom starken Küstenwind zu unserem Strand getragen wird.
Ich sitze unter einer riesigen Fecherpalme, ihre Blätter schwingen hin und her und die unreifen, giftgrünen Kokosnüsse, die sie trägt, baumeln im Takt des Küstenwindes.
Ein wahrlich wunderschöner paradiesischer Ort, an dem ich mich gerade befinde, so schön, dass ich es gar nicht fassen kann. Ich habe schon unzählige Fotos von dieser kitschigen Kulisse gemacht und doch habe ich ständig das Gefühl, dass meine Handykamera die Idylle nicht einfangen kann… Und dann lege ich das Handy wieder weg und besinne mich darauf, diesen Moment einfach zu genießen und die Bilder im Kopf abzuspeichern, und phasenweise gelingt es mir sogar. Ich realisiere noch gar nicht, dass ich wirklich an diesem fernen Ort bin. Fern, von all dem, was mir bekannt ist, vom Gewusel der Großstadt, vom täglichen
Zeitdruck, den Verpflichtungen, weit weg vom urbanen Leben. Aber auch weit weg von meinen Lieben, meiner Heimat.
Hier scheint sich die Erde langsamer zu drehen, die Uhren ticken in einem anderen Takt, der Tag scheint viel mehr Stunden zu haben, sogar die Menschen bewegen sich beinahe wie in Zeitlupe.
Wo also, wenn nicht hier, hat man schon die Möglichkeit, sich von all seinen Gewohnheiten, Gepflogenheiten, vielleicht sogar von seinen Zwängen zu lösen? Ich bin jetzt seit sechs Tagen in Kuba und eines war mir von Anfang an klar: hier ist definitiv alles anders! Hier ist man gezwungen, sich von allem Gewohnten, Vertrauten zu verabschieden. Sei es der tägliche Rhythmus, der Lifestyle, der gewohnte, europäische Standard, die eigene Mentalität. Hier musst du all das komplett loslassen, dich vom kubanischen “Flair” aufsaugen lassen.
Eine Challenge ist das schon, denn wir Menschen leben von unseren Gewohnheiten, unseren Verhaltensmustern, unseren Systemen, in denen wir uns bewegen. Und unsere Welt dreht sich in einer komplett anderen Geschwindigkeit.
Im Vergleich zur kubanischen Gelassenheit samt seiner rückschrittlich-nostalgischen Hispanität, ist das europäische Leben beinahe wie die Fahrt in einem Roller Coaster – alles muss immer schneller werden, immer effizienter laufen. Technische Neuheiten sind morgen schon wieder Out, Berufe sterben aus bzw. werden durch die digitale Revolution überflüssig, Kosteneinsparung und Ertragsteigerung werden zu den höchsten Prioritäten vieler Unternehmen – auch auf Kosten der einzelnen MitarbeiterInnen.
Alles muss schneller, neuer, besser sein.
Nicht so in Kuba. Was ja grundsätzlich nicht schlecht ist, doch seit ich hier am anderen Ende der Welt bin, habe ich meine Komfortzone bereits mehrmals verlassen. Das ist nicht immer leicht und ich ertappe mich laufend dabei, dass ich mir die gewohnten Dinge, die gewohnte Umgebung herbeisehne. Sogar jene Dinge, die ich im Alltag manchmal als Belastung empfinde. Doch sind sie einem komplett verwehrt, fehlen sie doch und es wird einem bewusst, wie abhängig man bereits ist.
Für die eigene Entwicklung ist es dennoch ungemein wichtig, wenn nicht unabdingbar, immer wieder seine Komfortzone zu verlassen, seinen Horizont zu erweitern, sich zu “reseten” und seine Verhaltsmuster zu überdenken. Allerdings ist das eine große Herausforderung und man muss auch dazu bereit sein, ehrlich zu reflektieren und manche Gewohnheiten in Frage zu stellen. Denn wir Menschen, unabhängig davon, wo wir aufwachsen, leben von der Routine, der Gewohnheit, wir sind alle fixe Bestandteile eines festgefahrenen Systems, das wir manchmal verfluchen aber uns teilweise auch selbst geschaffen haben. Wir legen uns immer wieder neue Zwänge auf, die wir dann jahrelang perfektionieren und können uns nur schwer wieder von diesen lösen. Vielleicht zieht es uns ja aus diesem Grund immer wieder in die Ferne, an uns unbekannte Orte, zu uns fremden Kulturen…!?
Erst seit ich in der Karibik bin, ist mir bewusst geworden, wie abhängig ich beispielsweise bereits vom Internet bin. Und diese Abhängigkeit hat sich nach und nach in meinen Alltag eingeschlichen und bestimmt diesen mittlerweile.
Mein erstes Smartphone habe ich im Jahr 2010 bekommen und seither ist der regelmäßige Internetgebrauch zur Routine geworden, sei es der tägliche Check der Wetterapp, das “googlen” nach unterschiedlichen Informationen, die Erledigung meiner Einkäufe, meiner Zahlungen, Terminvereinbarungen, etc. Sogar die Pflege meiner sozialen Kontakte hat sich vermehrt auf Social Media – Plattformen verlagert.
Aber wie “online” muss man in der heutigen Zeit wirklich sein bzw. in welchem Ausmaß ist es noch gesund? Hier in Kuba stellt sich die Frage nicht, da dies noch einer jener Orte ist, die sich überwiegend im Offline-Modus befinden. Also schreibe ich diesen blogpost und poste ihn, wenn ich zurück in meiner Heimat bin. Aber bis dahin lasse ich mich bedingungslos auf Kuba ein – mit all seinen Facetten, seiner Schönheit, seinem Charakter aber auch samt seiner Eigenheiten – und gehe OFFLINE…
Hasta luego, Amigos!
#fcukcancer