Liebe birgt Schmerz

Heute vor acht Wochen habe ich dich gehen lassen. Es vergeht keine Minute, in der ich nicht daran denke. Ich würde es gerne kurz vergessen, denn es schmerzt zu sehr. Ich würde mir gerne einbilden, dass es nicht real ist, denn es ist unerträglich. Doch in meinem Alltag werde ich immer wieder mit der knallharten Realität konfrontiert. Mein Handy, das auf dem Weg zur Arbeit täglich läutete, bleibt nun stumm. Der liebevolle Nikologruß bleibt erstmalig aus. Dein fröhliches Stimmchen verblasst. Meine Erlebnisse des Alltags bleiben unerzählt, ungeteilt. Kein „Guten Morgen“, kein „Gute Nacht“ mehr. Stille. Ewig anhaltende Stille. Und diese Stille ist so laut, dass man beinahe verrückt wird.

Früher sagtest du einmal, Liebe sei immer mit Schmerz verbunden. Ich muss gestehen, ich habe es damals nicht verstanden, denn Liebe war für mich immer etwas Wunderbares! Ich dachte einst, Liebe ist etwas Schönes, es ist pures Glück, also kann es mit Leid und Schmerz nichts gemeinsam haben – die Zeit hat mich eines Besseren belehrt! Jetzt weiß ich, was du damals meintest. Ich kann es spüren. Liebe birgt Schmerz. So schön sie ist, so sehr schmerzt sie auch.

Meine liebe Betreuerin bei der Krebshilfe sagte kürzlich, dass man Manches nunmal nicht Schönreden kann und, dass es lange dauern kann, bis solche tiefen Wunden nicht mehr offen sind. Wichtig ist, sich alle Zeit dafür zu nehmen und die Wunde heilen zu lassen. Sie sagte auch, dass es leider niemals das Eine ohne das Andere gäbe! Da bekam ich eine Gänsehaut. Denn es ist wahr. Wo Freude ist, ist Leid. Wo Liebe ist, ist Schmerz. Wo Leben ist, da ist auch der Tod. Das war immer so und wird immer so bleiben. Niemals das Eine ohne das Andere. Daran ist nichts zu rütteln! Diese Aussage tat gut und zugleich tat sie weh (wie sollte es auch anders sein?). Es ist wohl ein Naturgesetz und macht auch Sinn, aber gleichzeitig verstärkt es das Gefühl von Hilflosigkeit, von Machtlosigkeit, das man in sich trägt, denn gegen die Gesetze der Natur ist man machtlos.

Ich wollte dich retten, immer einen Plan B parat haben. Und ich habe bis zuletzt nicht aufgegeben und gehofft, dass wir das alles schaffen! Aber vor acht Wochen ist meine Hoffnung auf Rettung gestorben. Die große Herausforderung vor der ich nun stehe, ist zu glauben, zu spüren, dass der Tod nicht das Ende ist. Denn mit dieser Gewissheit bräuchte ich keinen Kummer mehr haben. Der Pfarrer sagte kürzlich in der Gedenkmesse: „Der Tod ist rein diesseitig. Er ist nicht das Ende, sondern eine Wende – er ist kein Untergang, sondern ein Übergang – er ist kein Abbruch, sondern ein Aufbruch!“ Deine materielle Lebenskraft war vielleicht nach 40 Tagen weg, doch dein geistiges Wesen ist nicht materiell, nicht zerstörbar! „Nach dem Leben geht es weiter, es ist eine Fortsetzung in eine andere Dimension.“ Dieser Gedanke ist ein tröstlicher und an diesem möchte ich festhalten…